Unser Projektleiter in Kolumbien, Herr Prof. Edmundo Pérez, informierte uns in einem längeren Schreiben über die soziale Situation des Landes. Anbei einige Gedanken von ihm:
AMURABI während der Epoche der Gewalt
Verfasst und ausgearbeitet von: Edmundo Pérez H.
Aktualisiert: November 2013 und Mai 2014
(übersetzt von Julia Wagner)
„Der Beginn des Projekts AMURABI in Bituima fand in einer schweren Zeit statt, die durch gewalttätige Aktionen geprägt war. Dieser, jüngst vergangene Epoche größter Gewalt in Kolumbien schenkte ich wenig Aufmerksamkeit und ebenso wenig informierte ich den Lehrer Herrn Dieter Lober-Sies, Repräsentant des Gymnasiums Oberursel in Deutschland. Denn in der ersten Phase des Projekts nahm ich weder die Situation in dieser Region wahr, noch war ich darüber informiert.
Nach Bituima kam ich über die Expertin Flavia Valladares, welche in ein großes soziales Projekt an der Universidad Nacional de Colombia involviert war. Dieses wurde in verschiedenen Gemeinden von Cundinamarca durchgeführt, Bituima eingeschlossen.
Als ich die ersten Kontakte mit Amurabi hatte und die ersten Besuche in Vereda Aposentos der Gemeinde Bituima vornahm, konnte ich keinerlei Anormalität in dieser Region wahrnehmen. Erst nach einigen Wochen, als das Projekt schon beschlossen war, konnte ich einige Situationen feststellen, die ich im Folgenden beschreiben werde.
Aufgrund von Drohungen der Gewalttätigen, mutmaßlich aus der Guerilla stammend, hatte das Bürgermeisteramt von Bituima geschlossen (und blieb zwei Jahre lang geschlossen). Der Bürgermeister führte seine administrativen Funktionen vom Ministerium von Cundinamarca in Bogotá aus. Es lag eine „angespannte Ruhe“ in der Gemeinde Bituima sowie in der Region in der Luft.
Die Frauen von AMURABI waren sich sehr verbunden, organisiert und fleißig. Es gab viele Notlagen in Vereda Aposentos und in Bituima. Aus diesem Grund dachte ich, dass sie meine Hilfe verdienten und ich entschloss mich, sie zu unterstützen, indem ich Formalitäten mit dem Gymnasium Oberursel sowie mit Frau Nohemy mit der Deutschen Botschaft klärte. Mehrmals besuchte ich Vereda Aposentos und wohnte den Treffen der Frauen in den Häusern der Mitglieder bei, in denen die Frauen auf unangemessene und unbequeme Weise Backwaren und einige Getränke zum Verkauf herstellten. Dies taten sie mit dem Ziel, ihre Notstände etwas zu verbessern.
Die Ruhe in Bituima war jedoch trügerisch. Im Jahr zuvor sowie in den nachfolgenden zwei Jahren durchlebte man in der Region, im Dorf/Volk, in der Gemeinde Bituimas sowie in Vereda de Aposentos sehr besorgniserregende Umstände. Mehrere Jugendliche und Männer wurden von den Gewalttätigen entführt, welche versuchten diese für ihre eigenen Reihen zu gewinnen. Andere verschwanden spurlos. Zu Beginn, als mir diese Situation mehr und mehr bewusst wurde, konnte ich das Projekt schon nicht mehr stoppen, denn die Mittel der Deutschen Botschaft waren gerade herausgegangen und es gab große Erwartungen und Enthusiasmus seitens der Frauen Amurabis und in Vereda Aposentos…
Monate später erfuhren wir, dass der Chef oder Anführer der Guerilla, welcher in der Region Angst und Schrecken verbreitete und vom Sportzentrum Aposentos` aus alles lenkte, gestürzt (gestorben) war. Dies geschah durch eine Kampftruppe/die Armee während eines Kampfes in einer Gemeinde nahe Bituimas.
Nach diesen zwei ersten Jahren begannen andere, paramilitärische Gruppen aufzutauchen, welche anfingen die Guerillas zu verdrängen.
Auch die „paras“ begangen Missbrauch in der Region und in Bituima. Einige Personen verschwanden aufgrund der Annahme, dass sie Informanten der Guerilla waren oder sind. Zum Beispiel wurde ein Mann, (den ich kannte) der gegenüber des Sportzentrums in Vereda de Aposentos lebte und Getränke verkaufte, ganz in der Nähe von Amurabi aus seinem Haus gezerrt und verschwand. Man hörte niemals mehr von ihm, genauso wenig wie von einigen Jugendlichen, denen es genauso erging. Seine Familie zog nach Bogotá um und sein Haus wurde zur Ruine. Gegenwärtig geblieben sind nur noch einige Fragmente der Mauern und Unkraut.
Nach diesen Jahren kehrte der Frieden langsam wieder in die Region zurück. In den letzten Jahren redet man in Bituima mit Gelassenheit über den ersehnten Frieden, der zurückgekommen ist, und niemand wünscht sich, dass die Gewalt zurückkehrt. Die Bewohnerzahl in Aposentos und den angrenzenden Veredas hat zugenommen. Einige Familien, die in die Stadt umgezogen waren, sind wieder auf das Land gezogen.
Gegenwärtig (Mai 2014) hat das gesamte Land noch nicht den Frieden erlangt. Auch wenn der Frieden in weiten Regionen wiederhergestellt wurde, so bleibt die Gewalt in anderen, abgelegenen Regionen bestehen. Noch immer verzeichnet man Konfrontationen, Morde und Massaker.
Viele der paramilitären (rechtsextreme Antiguerillatruppen), demobilisierten und wieder in die Gesellschaft unter der Regierung von Präsident Alvaro Uribe eingegliederten, handeln immer noch wie Kriminelle und sind in verschiedenen Teilen des Landes organisiert. Man nennt sie „bacrim“, was kriminelle (criminales) Banden (bandas) bedeutet…
Jedoch haben nicht nur die kriminellen Banden, die Guerillas und die paramilitären Gruppen das Land mit Gewalt „heimgesucht“ bzw. suchen es noch immer heim, sondern auch die militärische Schlagkraft, die Polizei und Spezialeinheiten haben einige Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung angewendet. Eines der beschämensten Verbrechen der Regierung Alvaro Uribes (er war acht Jahre an der Macht) und begangen durch das Heer/die Armee, waren die sogenannten „Falsos-Positivos“ (mehr als 3500 unschuldige Jugendliche wurden durch das Militär überlistet und ermordet und nachfolgend als Guerilla-Kämpfer präsentiert, die in einem Kampf gefallen waren). (Sie taten dies, um Erfolgsprämien wie zum Beispiel Beförderungen oder Sonderurlaub zu bekommen).
Zu der durch die bewaffneten, aufständischen Akteure (Guerillas, kriminelle Banden) verursachten Gewalt, summieren sich die Opfer der Drogengeschäfte und vor allem der generellen Kriminalität sowohl in den Städten als auch auf dem Land, die stetig zunehmen. Das heißt, der Straffälligkeits- und Kriminalitätsindex hat in den letzten Jahren auf Landesebene deutlich zugenommen. Experten zufolge gehören zu den größten Leiden, die durch den bewaffneten Konflikt, die Straftaten und die Armut in Kolumbien verursacht werden, Korruption, Ungerechtigkeit und soziale Ungleichheit.
Trotz der gerade beschriebenen Situation, verzeichnet das Land in den letzten zehn Jahren positive Entwicklungen in Bezug auf den Fortschritt und die Wirtschaft (eine der stabilsten in Lateinamerika). Es gibt viele friedliche Regionen und Aktivitäten wie der internationale Tourismus. Die ausländischen Investitionen haben sich beachtlich gesteigert.
Einige Daten über die Konstruktion und die Funktionsweise von AMURABI
1. Mit der Unterstützung des Gymnasiums Oberursel und der Deutschen Botschaft hat der Bau des Hauptsitzes von AMURABI im Jahre 2002 begonnen. Edmundo, Fr. Nohemy und Fr. Flor María Fonseca bemühten sich sehr stark in Bituima und Bogotá, um Baumaterial zu einem ökonomischen Preis zu bekommen. Dies geschah mit dem Ziel, möglichst viel mit dem Geld des Gymnasiums Oberursel und der Botschaft erreichen zu können.
2. Die Frauen AMURABIs und einige Männer wirkten tatkräftig mit, indem sie Graben in der Erde für die Fundamentierung aushoben, Essen zubereiteten, Material organisierten und weitere Tätigkeiten durchführten.
3. Das im Bau (Gebäude und Kiosk) verwendete Material, wie Steine, Holz und Guadua (Bambus), wurde von den Grundstücken der Kleinbauern Aposentos´ genommen, die es preiswert verkauften oder kostenlos gaben.
4. Auch aufgrund der Bemühungen seitens Fr. Nohemys vor dem Bürgermeisteramt und dem Comité de Cafeteros („Kaffeeanbaugremium“) der Region, kollaborieren diese Institutionen (in geringem Ausmaß) mit finanziellen Unterstützungen für den Bau.
5. Abgesehen von der Spende der Deutschen Botschaft, kam die größte finanzielle Unterstützung durch Spenden des Gymnasiums Oberursel zustande. Diese wurde sowohl für die Gebäude als auch für die Errichtung des Kiosks eingesetzt. Weiterhin wurde das Geld zum Teil für das Gelände von fast 2000m², für den Kauf von Möbeln (Stühle und Tische) und für den Kauf der nötigen Ausstattung zur Lebensmittelherstellung verwendet.
6. Über die Tätigkeiten von AMURABI habe ich zu den entsprechenden Anlässen Berichte und Fotos an Herrn Dieter Lober-Sies geschickt. Auch bei meinen Besuchen am Gymnasium Oberursel erläuterte ich mehrere Male die zum Projekt gehörigen Angelegenheiten. Die zwei Besuche des Lehrers Herrn Dieter Lober-Sies (2009 und 2012 mit einer Touristengruppe) und die Besuche der Jugendlichen Philipp und Katharina ermöglichten unseren Freunden und Wohltätern Informationen aus erster Hand über AMURABI zu erlangen.
7. In dem von Fr. Nohemy verfassten, kurzen Bericht legt sie den Sinn und den sozialen Nutzen, den die Etablierung des Sitzes von AMURABI und einige seiner Aktivitäten gehabt haben, dar.
8. Mit der kürzlich erhaltenen Finanzierung des Gymnasiums Oberursel (zu Beginn des Jahres 2014) konnte die Restaurierung des Hauptsitzes von AMURABI durchgeführt werden. Diesbezüglich ließ ich dem Lehrer Herrn Dieter Lober-Sies bereits einen Bericht sowie Fotos zukommen.
9. Amurabi, die Gemeinschaft der vereda Aposentos und die Gemeinde Bituimas haben sich immer bedankt und werden dem Gymnasium Oberursel und der Deutschen Botschaft immer ihren tiefsten Dank für die wertvollen Unterstützungen aussprechen. Diese Unterstützungen haben es uns erlaubt mit der Zeit produktive Aktivitäten/Aktionen zu entwickeln, welche auf diese Weise die Einnahmen der Gemeinschaft (Gemeinde) verbessert haben. Sie haben ebenfalls als Nutzraum/Unterkunft für die Entwicklung von Tätigkeiten/Betätigungen gedient: als Weiterbildungsstätte, als Klassen für die Schüler der Schule (als die Schule wegen der Reparaturarbeiten am Gebäude mehrere Monate geschlossen war) und für soziale Veranstaltungen zur Integration der Familien, der Jugend und der Kindheit. „ (Edmundo Pérez)
Mit dem Spendengeld des Hoffestes soll folgendes finanziert werden (wir erwarten 2.000 – 3.000 €):
1. Reparaturarbeiten an den Anlagen von AMURABI auf Grund von Zerstörungen durch Erderschütterungen.
2. Bau von Umkleideräumen, WC und Waschmöglichkeiten für die Kinder und Jugendlichen, die auf einem Platz (neben dem Gelände von AMURABI) Sport treiben.
3. Finanzierung des Musikunterrichts an der Armenschule „Teresa de Calcuta“ in Yopal.
Dieter Lober-Sies
Kolumbienprojekt am GO seit 1986