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„Menschliche“ Automaten und konditionierte Menschen - Irre-Parabel blickt kritisch in die Zukunft von Kultur und Kommerz (Fotos)

Können Maschinen Gefühle entwickeln? Folgt man dem neuen Stück von Irre-Parabel, dann lautet die Antwort „ja“. Die ausgefeilten Automaten, die hier auftreten, speichern allerdings in der Regel bloß Gehörtes und Erlebtes und spulen diese Sequenzen dann situationsgemäß einfach ab. Ganz wie die Menschen, die sich auch schon automatenhaft verhalten und nur noch funktionieren wollen. Gefühle stören in dieser Welt, die von Technik und Kommerz beherrscht wird. Es gibt allerdings auch merkwürdige Exemplare unter den Zeitgenossen und Maschinen, die „aus der Spur“ laufen.

Das Filmstudio der Zukunft, in dem Alan Ayckbourns Komödie „Ein komisches Potential“ spielt, produziert nur noch „Schrott". So sieht es jedenfalls Chandler Tate, der ehedem geniale Regisseur alter Schule, der hier sein Einkommen hat. Aber „Old School“ ist out. Jetzt spielen Androiden, sogenannte Aktroiden, in billigen Serienproduktionen und sprechen vorgestanzte Sätze, die uns fast menschlich erscheinen. Gerade laufen die Dreharbeiten zu einer Arzt-Serie, und die computergesteuerten Akteure stören die Arbeit durch lästige Programmierfehler. Die „Krankenschwester“ JCF 31333 fällt gar mit Heiterkeitsanfällen aus der Rolle. Dahinter steckt jedoch kein technischer Defekt, sondern ein „komisches Potential“, das „Jacie“ trotz künstlicher Intelligenz entwickelt hat. Damit stiftet sie Verwirrung im hypernervösen Drehteam.

Regisseur Chance, der innerlich gegen die Kommerzkultur rebelliert, will aber nicht auf seine Pensionsansprüche verzichten. Deswegen ertränkt er seine Skrupel und den Ekel im Alkohol und drangsaliert sein Team mit markigen Sprüchen (perfekt verkörpert von Julia Noske, die diese schwierige Rolle grandios meistert). Er selber wird gehetzt und gegängelt von der gleichermaßen hartherzigen wie quotenfixierten Produktionsleiterin Carla Pepperbloom (sehr treffend dargestellt von Svenja Thier) und dem wortkargen mächtigen Geldgeber Lester Trainsmith (überzeugend: Anne Marschner). In dieser Szenerie hat das Technik-Team um Prim Spring und Trudi Floote (sehr gut gespielt von Karina Rollow sowie Katharina Hansen) wenig zu lachen. Die Probleme eskalieren, als der junge Nachwuchsregisseur Adam (die Rolle ist Niklas Runge auf den Leib geschneidert) auftaucht und  inmitten dieser Konservenkultur ebenfalls ECHTES produzieren will, ein mehr als ehrgeiziges Projekt, das künstlerischen Freiheit voraussetzt, die es in dieser technisierten Welt nicht mehr gibt.

Ausgerechnet dieser Adam verliebt sich nun in „Jacie“, die Automatenfrau mit Herz und komischem Potenzial, bringt ihr alte Komödienkniffe bei und versucht sie in sein menschliches Leben zu integrieren, was mit viel Risiko verbunden ist. Fast scheint es, als wäre diese unmögliche Liebe möglich, denn Jacie (sehr überzeugend gespielt von Sophie Müller) zeigt Gefühl. Aber im Laufe der sich daraus ergebenden Verwicklungen erkennt sie auch ihre Grenzen („Ich bin labil“) und erweist sich als verantwortungsvolle Realistin. Lieber will sie sich neu „formatieren“ lassen als sich auf das Experiment dieser äußerst schwierigen „Liebe“ einzulassen. Erst ganz am Ende schlägt sie scheinbar doch einen menschlichen Weg ein, nun aber als neue Produzentin, die ebenso wie ihre kalte Vorgängerin im Rahmen der Gesetze der neuen Medienwelt funktionieren wird. Wohl doch keine Love Story, wohl doch kein Happy End.

Ein Happy End aber gab es für die wunderbare junge Schauspieltruppe um die Spielleiter Klaus-Dieter Köhler-Goigofski und Timo Vogt, denn Schulleitung und Publikum waren ob der großartigen schauspielerischen Leistungen, des überzeugenden selbstgestalteten Bühnenraums und des inspirierenden Themas voll des Lobes. „Ein Spitzenteam und eine Komödie, die unter die Haut geht“, befand Fachbereichsleiterin Friederike Pitsch.

Vielleicht muss man auch gar nicht in ferne Zukunft blicken, um geliebte Automaten und Menschen, die bloß funktionieren, zu entdecken? Die libidinöse Beziehung zum Smartphone, dem begehrten Android unserer Tage, ist schließlich allgegenwärtig. Nicht selten wird es realen menschlichen Kontakten vorgezogen.

Wie hieß es schon in der Ankündigung von Irre-Parabel: Es geht in Ayckbourns Komödie nur vordergründig um die Herstellung von Fernsehserien, durchtriebenes Intrigenspiel und um eine bizarre Liebesgeschichte. Denn es wird auch am Beispiel von Adam die Frage verhandelt, wie frei der Mensch in unserer durchtechnisierten Mediengesellschaft überhaupt handeln kann und fühlen darf.

  

Jutta Niesel-Heinrichs (Pressesprecherin)                                            Volker Räuber (Schulleiter)

 

 

 




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