„Brückenschlag - zwischen Universität und Schule“ - Der Syrien-Konflikt im Politikunterricht – Wissenschaftlicher Vortrag über den Krisenherd Syrien
Am 21. Januar hielt der Politikwissenschaftler Daniel Müller in der Rotunde des Gymnasiums vor Oberstufenschülern der Jahrgangsstufen Q3 und Q1 einen wissenschaftlichen Vortrag über den Syrien-Konflikt mit anschließender Diskussion. Wie Fachbereichsleiter Jens Frowerk hervorhob, war der Wunsch nach Expertise aus den Politikkursen an ihn herangetragen worden. Im Rahmen der Kooperation „Brückenschlag“ zwischen der Universität Frankfurt und interessierten Schulen kam nun dieser anspruchsvolle und hochaktuelle Vortrag zustande.
Daniel Müller, der im Bereich der internationalen Politik arbeitet, verlangte den anwesenden Politikkursen einiges ab. Sie mussten zunächst einmal sehr viele Informationen verarbeiten, so über die konfessionelle Zusammensetzung Syriens (74 Prozent Sunniten, 10 Prozent schiitische Alawiten, Christen, Juden, Drusen u.a. Minderheiten) und das seit 1963 existierende Assad-System (ein „Polizeistaat“ mit Minderheitsregierung) sowie über die internationalen Verflechtungen des Regimes (mit Russland, Iran, der libanesischen Hisbollah u.a Verbündeten). Es folgte ein Abriss der Oppositionsbewegung seit 2011, die sich gegen schlechtes Regierungshandeln richtete, und des Bürgerkriegs seit 2012, in den radikal- islamische Gruppierungen und der sog. IS („Daesh“) Einzug hielten. Seit 2014 dominiere deshalb der Antiterrorkampf die internationale Diskussion, so Müller, und die syrischen Oppositionsgruppen sähen sich im Zweifrontenkrieg zwischen Dschihadisten und Regimekräften. Müller stellte anschließend die kämpfenden Konfliktparteien detailliert vor, angefangen vom Assad-Regime und dessen Verbündeten, über die verschiedenen Oppositionsgruppen (FSA u.a.), die salafistischen Dschihadisten (Daesh, Al Nusra Front u.a.) bis hin zu den kurdischen Gruppen. Es folgte ein Abriss der regionalen und internationalen Allianzen, die das Assad-Regime, die Oppositionsgruppen oder die „IS“-Truppen unterstützen, und der Interessen, die sie dabei verfolgen. Der internationalen Anti-IS-Allianz, erfuhren die hochkonzentrierten Jugendlichen, gehören nicht nur die USA, Großbritannien, Frankreich und seit kurzem auch Deutschland an, sondern im Rahmen der „Operation Inherent Resolve“ (OIR) (deutsch: Innere Entschlossenheit) u.a. auch Australien, Bahrain, Jordanien, Kanada, Saudi-Arabien, die Türkei, Italien, die Vereinigten Arabischen Emirate“.
Die diplomatischen Initiativen zur Beendigung des Bürgerkriegs seit 2012 hätten sich über Jahre als erfolglos erwiesen, berichtete der Referent. Erst durch die Wiener Syrien-Konferenz vom November 2015 und die Friedensresolution des UN-Sicherheitsrates vom 18. Dezember 2015 sei Bewegung in die UN-Bemühungen gekommen. So stellten die derzeit in Genf anlaufenden Verhandlungen zur Herbeiführung eines Waffenstillstands und einer Übergangsregierung einen echten Hoffnungsschimmer dar. Dies sei auch bitter nötig, denn Syrien existiere de facto seit 2012 als Staat nicht mehr, und 250 000 Tote sowie 12 Millionen Flüchtlinge sowie die Bedrohung der ganzen Region durch den Terrorismus verlangten zwingend ein gemeinsames Handeln. Eine strategische Annäherung zwischen Russland und den USA sei die beste Option, um einen Übergangsprozess einzuleiten.
Nach diesem Impulsreferat folgten facettenreiche Fragerunden, die dem Referenten weitere Ausführungen und Statements abverlangten. So wollten die Schülerinnen und Schüler etwa wissen, wie denn die sehr heterogenen Oppositionsgruppen in einen Friedenprozess eingebunden werden könnten und ob auch der Diktator Assad eine Rolle dabei spielen werde. Müller gestand ein, dass das Beispiel Irak gezeigt habe, dass bestehende bürokratische Strukturen nicht komplett negiert werden dürften. Deshalb werde vermutlich auch der syrische Regierungsapparat in der Übergangszeit noch eine Rolle spielen müssen. Auch nach den divergierenden Interessen im Lager der beteiligten ausländischen Mächte wurde gefragt. Russland, die USA, Saudi-Arabien und auch der Iran könnten eine wichtige Rolle bei der Beseitigung des Konflikts spielen. „Stabilität wollen alle“, stellte Müller fest. Das sei eine wichtige Gemeinsamkeit. Viele Fragen zielten auch auf den sog. „IS“ und auf die Folgen der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Levante auf die ganze Region und Europa, speziell auf die Flüchtlingskrise. Schließlich interessierten sich die Jugendlichen auch für das Thema „Waffenlieferungen“ und für die politische Verantwortung der Großmächte und Europas in Bezug auf diesen Konflikt. Das Thema der Waffenlieferungen wollte Müller differenziert betrachtet wissen. Bei der Konfliktentschärfung könne Europa „in einem Übergangsprozess eine wichtige Mittlerrolle übernehmen“, befand der Politologe, der sich abschließend bei seinem jugendlichen Publikum für das große Interesse und „exzellente Fragen“ bedankte. (nlh)
gez. J. Niesel - Heinrichs (Pressesprecherin) V. Räuber (Schulleiter)
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