Gymnasium Oberursel

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Zwei Todesfälle und in der Ferne ein Hoffnungsstreifen – Im GO-Musical „Spring Awakening“ stürmen verzweifelte Jugendliche gegen ein  repressives System und das „Blah, blah, blah“ der Autoritäten an – und begeistern auf allen Ebenen

 

Am Freitag war Premiere, und sie endete mit stehenden Ovationen für eine rundum großartige Leistung. Die Musical AG des Gymnasiums brachte „Spring Awakening“ nach Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ (1891) auf die Bühne, und 16 Darsteller und 9 Bandmitglieder begeisterten mit einer inspirierenden Inszenierung, kraftvoll-mutigen Darstellern, spritzig-frechen Songs und profihaftem Orchesterklang. Die Furcht, die schwierige Thematik und heikle intime Szenen könnten das Missfallen des Publikums erregen, erwies sich als unbegründet. Denn der historische Stoff, die Träume und Nöte sehr junger Jugendlicher, die vor mehr als 100 Jahren durch Schule und Elternhaus und ihr sexuelles Erwachen in existenzielle Extremsituationen geraten, bot dank der überzeitlichen Bezüge und der modernen Songs des Musicals von 2006 reichlich Möglichkeiten der Identifikation.

Jetzt heißt es für die junge Musicaltruppe Atem holen. Die nächsten Aufführungen in der Aula des Gymnasiums folgen am Freitag, 31.08. 2018 (19.30 Uhr) sowie am Samstag, 1.09.2018 (18.00 Uhr) in der Aula des Gymnasium. Die Akteure freuen sich auf weitere Besucher.

Prüderie, Gewalt und Repression

Wedekinds Stück gilt als schwierig, handelt es doch von Gewalt in Elternhaus, Schule und Gesellschaft und von Sex und dessen Tabuisierung. Und es geht um Selbstmord und Tod und die Verhinderung von Lebensansprüchen Heranwachsender, die in einer prüden und repressiven Welt ihre eigene Sexualität entdecken. Im Zentrum des Geschehens stehen der intellektuelle Freigeist Melchior Gabor, die ihm in Zuneigung zugewandte gänzlich unaufgeklärte, aber erfahrungshungrige Wendla Bergmann (rollengerecht und sehr versiert interpretiert von Lena Hilgert) sowie Melchiors sensibler Freund Moritz Stiefel (sehr lebendig und vielschichtig verkörpert von Moritz Platen), der durch den Leistungsdruck von Schule und Elternhaus in den Tod getrieben wird. Der kluge Melchior (mit hoher Rollenidentifikation und sehr präsent: Patrick Bidinger) macht sich „schuldig“, indem er Wendla verführt und schwängert, und dadurch, dass er für den unter „feuchten Träumen“ leidenden Moritz die  handgeschriebene Aufklärungsschrift „Der Beischlaf“  inklusive „lebensechter“ Zeichnungen erstellt. Beide „Taten“ werden schwer bestraft. „Du bist völlig im Arsch“ erkennen Melchior und seine Freunde messerscharf. Melchior wird in eine Zuchtanstalt eingewiesen und verliert seine beiden Vertrauten unter brutalsten Umständen. Moritz erschießt sich, nachdem ihm seitens der Schule trotz bestandener Prüfungen die Versetzung versagt wird, und Wendla wird von ihrer Mutter einem Engelmacher zugeführt und stirbt an den Folgen der schmutzigen Abtreibung. Aufgeklärt sind in dieser Gesellschaft die wenigsten Jugendlichen, neben dem freiheitlich erzogenen Melchior („Scham [ist] nichts als das Produkt der Erziehung“) wohl am ehestens „Hänschen“, der im Freundeskreis seine Homosexualität gesteht und sich nicht vom System besiegen lassen will, sowie – zwangsläufig - auch Martha und Ilse, zwei Schwestern, die im Elternhaus Gewalt erfahren und vom eigenen Vater sexuell missbraucht werden. Ansonsten verweigern die meisten Elternhäuser sowohl die nötige Aufklärung als auch das Verständnis für die sexuell erwachenden jungen Menschen. Die allgegenwärtige Schule mit Direktorin „Knochenbruch“ an der Spitze (Nomen est Omen) schließlich agiert als stofffixierte perfide Drillanstalt, mit Lehrkräften, die jede Pädagogik vermissen lassen. Schüler sind für sie nur „Rohmaterial“ für eine „gehorsame und produktive Gesellschaft“, so Melchior, und müssen  funktionieren.  Die Jugendlichen umgekehrt karikieren die Schule im Song als „Blah, blah, blah“- Anstalt.

Tödliche Frühlingsgefühle– aber auch  Hoffnung auf einen „Sommer“   

Verständnis erfahren die Jungen und Mädchen nur im Freundeskreis, denn alle machen hier ähnliche Erfahrungen („So ‘n verficktes Leben“) und haben die gleichen Träume. Im Chor unterstützen sie sich in ihrer Sehnsucht und träumen gemeinsam von Berührungen und Zweisamkeit („Meine Sucht“). Sie beschwören dabei immer wieder das Vertrauen und die Liebe. Der Wald als Rückzugsort macht dabei Offenheit und intime Begegnungen möglich. Trotzdem verlieren sich die Einzelnen in der Einsamkeit, finden nicht genug zueinander, um das Schlimmste zu verhüten. So schafft es etwa die unglückliche Ilse, die sich, vom Elternhaus verstoßen, in Künstlerkreisen prostituieren muss, nicht, ihren guten Freund Moritz vom Selbstmord abzuhalten. In der Trauer auf dem Friedhof neben den frischen Gräbern aber finden die Jugendlichen wieder zusammen und motivieren den selbstmordgefährdeten Melchior, sich auf den Weg in eine bessere Zukunft zu wagen und es der Welt zu „zeigen“. Dazu entsteigen auch Moritz und Wendla kurzzeitig ihren Gräbern und beschwören die erlebte Freundschaft: „Niemand kann dieses Band zerstören“. So endet das Musical kraftvoll mit einem mutigen Aufbruch und dem „Lied vom neuen Sommer“, einer schönen Hoffnung.

Vergangenheit als brisanter Gegenwartsstoff

Natürlich sind Elternhaus und Schule im 21. Jahrhundert weit entfernt von Wedekinds Erfahrungswelt: Verständnis für die Lernenden und Partnerschaft mit den Heranwachsenden stehen heute im Fokus der Erziehung. Eine ergebnislos um Aufklärung bettelnde Wendla Bergmann wäre heute kaum möglich, ebenso wenig der Schulverweis Melchiors wegen der Verfassung einer Aufklärungsschrift. Aber das Musical zeigt auch Probleme von Jugendlichen auf, die nach wie vor brisant sind, so mangelnde Offenheit im Umgang mit der Sexualität, Ressentiments gegen Homosexualität, Gewalt, Schulangst und sexuellen Missbrauch. Die Musik Duncan Sheiks (eine  Mischung aus Rock, Pop und Folk) ist das Ventil, durch das sich die Jugendlichen Luft verschaffen. Die modernen frechen und drastischen Gesangsnummern (Texte: Steven Sater, Übersetzung: Nina Schneider) verbinden dabei nahezu mühelos den historischen Stoff mit der Gegenwart. Mit der Erfindung der kommentierenden „Erzählerin“ im Minirock aus der Gegenwart (souverän im Auftritt und mit schönen Timbre im Gesang: Mai Anh Tran) setzt die Oberurseler Inszenierung noch eins drauf und kommentiert geistreich und spitzzüngig

Überholtes aus Gegenwartssicht. Überhaupt erweist sich die Aufführung in Regie und Choreografie, Bühnenbild und Technik als sehr kreativ und lässt auch musikalischkeine Wünsche offen. Dazu tragen nicht zuletzt das professionell aufspielende Musicalorchester, das der „Schule mit musikalischem Schwerpunkt“ alle Ehre macht, und die perfekt gesetzten Chorsätze bei.

Fulminante Aufführung eines schwierigen Stoffes vor begeistertem Publikum

Die Rollen sind durchweg passend besetzt und die jungen Darsteller, nicht nur in den Hauptrollen, zeigen viel Talent und Mut und eine große Bühnenpräsenz, so z.B. etwa der unerbittliche Lehrkörper (Melissa Falkiewicz, Alice Boyer und Muriel Valentin) oder Ian Hrubik als Moritz' verzweifelter Vater in der Begräbnisszene. Auch die Darsteller der Eltern und Mitschüler/innen sowie weiterer Rollen zeigen erstaunliche schauspielerische und gesangliche Leistungen und scheuen sich nicht, auch Intimes und Tabus in Szene zu setzen (z.B. Jakob Behrens als mutiges schwules „Hänschen“ und Julia Boy als „Ilse“ (mit schönen Soli) sowie gemeinsam im Duett mit Annika Aumüller als Opfer familiärer Gewalt.)

Abschließender Höhepunkt der Schultheatertage

Am Ende zeigte sich nicht nur das Publikum rundum begeistert, sondern auch Schulleiter Volker Räuber, seine Stellvertreterin Christiane Schichtel und Bernd Lienhard als Vorsitzender des Kultur- und Sportförderverein KSfO). Sie zollten der grandiosen Leistung der jungen Darsteller und Musiker, der technischen Helfer und der künstlerischen Leitung (Dr. Diana Tappen-Scheuermann, Sebastian Polag, Marc Ziethen und André Koschyk) großen Respekt und dankten allen Beteiligten für ihr herausragendes Engagement. Die Laudatoren betonten auch die gute Zusammenarbeit zwischen dem Gymnasium und dem KSfO im Rahmen der Oberurseler Schultheatertage sowie die unverzichtbare Hilfe der Sponsoren (Frankfurter Sparkasse 1822 und Stadtwerke Oberursel). Das erleichterte Ensemble ließ sich danach gerne zu einer Zugabe überreden. (nlh)


Jutta Niesel-Heinrichs (Pressesprecherin)                                                   Volker Räuber (Schulleiter) 




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