Gymnasium Oberursel

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Entlarvung eines Schreibtischtäters - Die Eichmann-Protokolle in szenischer Lesung

 

Am Freitag, dem 19. Oktober 2018, fand von 14.15 bis 15.45 Uhr im Gymnasium Oberursel für die Jahrgangsstufe Q3 durch Harald Schandry und Bernd Surholt, zwei Schauspieler der Hannoverschen Kammerspiele e.V., eine szenische Lesung zu den sog. „Eichmann-Protokollen“ statt. Im Mittelpunkt der collagenartigen Lesung in der Rotunde standen neben historischen Zeitdokumenten, die politische Ereignisse markierten und den Weg der Judenvernichtung nachzeichneten, das in Israel aufgezeichnete Verhörprotokoll zwischen Avner Less, Hauptmann der israelischen Polizei und gebürtiger Berliner, der selbst vor dem NS-Terror geflohen war, und Adolf Eichmann, einem der Hauptorganisatoren des Holocausts. Die Veranstaltung wurde im Unterricht vorbereitet und von Geschichtsfachsprecherin Yvonne Pickmann moderiert.

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SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann gilt als einer der Hauptorganisatoren des Holocaust. Von 1941 bis 1945  war der „Schreibtischtäter“ als Leiter des „Judenreferats IV B 4“ im „Reichssicherheitshauptamt“ für die meisten Deportationen in Konzentrations- und Vernichtungslager verantwortlich. Nach dem Krieg lebte er mit  gefälschten Papieren in Deutschland, bis er schließlich 1950 nach Argentinien floh. Von dort  entführte ihn 1960 der israelische Geheimdienst Mossad nach Israel, wo er in einem international für Aufregung sorgenden Prozess zum Tode verurteilt und 1962 hingerichtet wurde. Die dort entstandenen Verhörprotokolle geben einen Einblick in die Psyche des Organisators der nationalsozialistischen Judenvernichtung, der bis zum Schluss eine persönliche Schuld abstritt.

 

Dies arbeiteten die beiden Schauspieler in ihrer Lesung, in die sie auch viele Zeitdokumente einfließen ließen, eindrucksvoll heraus. Eichmann betonte in den Verhören immer wieder, er sei kein Mörder, habe mit den Massenmorden (direkt) nichts zu tun gehabt, sondern sei nur mit der „Evakuierung“ beschäftigt gewesen. „Ich habe gehorcht“, lautete sein wiederkehrendes Credo. Die Zitate verdeutlichten, dass Eichmann sogar bestritt, als ein Antisemit und überzeugter Nationalsozialist gehandelt zu haben.

 

Mithilfe der biografischen Wahrheit und Aussagen von Zeitzeugen arbeiteten Surholt, der Eichmann verkörperte, und Schandry, der Fakten und Zeugenaussagen vortrug, jedoch heraus, dass Eichmann in seiner Karriere stets die „forcierte Auswanderung“ der Juden propagiert und perfektioniert hatte, sodass er schließlich im Reichssicherheitshauptamt für die Organisation der Deportationen in die Ghettos und Vernichtungslager verantwortlich zeichnete. In dieser Funktion wurde er auch Augenzeuge und Motor der verschiedenen Phasen der Vernichtung. So betont Rudolf Höß, Kommandant von Auschwitz, Eichmann sei von der sog. „Endlösung“, der vollständigen Ausrottung der europäischen Juden förmlich „besessen“ gewesen. Eichmann bestreitet dies in den Verhörprotokollen allerdings hartnäckig: Sein Stab habe zwar davon gewusst, er selber sei aber „heilfroh“ gewesen, nichts mit der Vernichtung zu tun zu haben. Er habe nur „Befehle befolgt“, so wie es jeder andere auch getan hätte. Den Schuldspruch wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „Verbrechen gegen das jüdische Volk“ und den Vollzug des Todesurteils konnte Eichmann aufgrund der Faktenlage und der Entschlossenheit seiner Richter aber nicht aufhalten.

 

Im Anschluss an die aufrüttelnde Lesung gab es viele Fragen, so zu Eichmanns Rolle und Werdegang, zur Entführung Eichmanns durch die Israelis und zu den Umständen des Prozesses, aber auch zu den Motiven der Schauspieler. Die machten deutlich, dass sie sich seit ihrer Jugend mit der Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden und Fragen nach der Verantwortung beschäftigt hätten, zumal die damals Erwachsenen so viel über die Vergangenheit geschwiegen und viele Täter in der Nachkriegszeit wieder Fuß gefasst hätten. Eichmann sei insofern eine „faszinierende Figur“, bekannte Surholt, als er seine eigene Verantwortung auf eine unfassbare Weise leugne. Den Jugendlichen im Publikum dankten die beiden Schauspieler für ihre große Aufmerksamkeit und Konzentration. (nlh)

 

 

J. Niesel-Heinrichs (Pressesprecherin)                                                                       V. Räuber (Schulleiter)




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