Eindrucksvolles Zeitzeugengespräch mit Prof. Robert Jesselson am GO
Um lebendige Geschichte sollte es im Zeitzeugengespräch am 17. Juni 2019 in der Rotunde des Gymnasium Oberursels gehen. Den Schülerinnen und Schülern mehrerer Geschichtskurse der Jahrgangsstufe Q2 und einer Klasse 7 wurde jedoch weitaus mehr geboten. Der renommierte amerikanische Musikprofessor und Sohn jüdischer Emigranten, Prof. Robert Jesselson, berichtete eindrucksvoll von der Flucht seiner Vorfahren in die USA während der Zeit des Nationalsozialismus.
Die Veranstaltung am Gymnasium wurde vom Projekt Jüdisches Leben in Frankfurt vermittelt.
Nach einer kurzen Klavierimprovisation von Philipp Schreck begrüßten die Moderatorin des Gesprächs und ehemalige Lehrerin Sibylle Stein sowie die stellvertretende Schulleiterin Christiane Schichtel den aus den USA eingereisten Gast und das Publikum. Jesselson berichtete anschließend, unterstützt durch zahlreiche Fotos, vom Leben seiner Familie, die väterlicherseits schon seit Generationen in Neckarbischofsheim und später in Frankfurt gelebt hatte, als sie 1938 schließlich flüchten musste. In dieser Emigrantenfamilie kam Robert Jesselson 1949 in New York zur Welt.
Robert Jesselson Vortrag verband persönliche Schilderungen mit Dokumenten und Video-Einspielungen. Durch das Vorlesen der Aufzeichnungen des Großonkels wurde die Geschichte plötzlich ganz nah und die jungen Zuhörer erhielten einen authentischen Einblick in das, was im Jahr 1938 passierte. Brutale Gewalttaten gegen jüdische Mitbürger und Zerstörung von Synagogen – die Aufzeichnungen ließen Bilder wachwerden, die schockierten.
Der Großvater Jesselsons mütterlicherseits, Gründer des Offenbacher Bankhauses Merzbach, wurde noch nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet und war in der Frankfurter Gesellschaft wegen seiner erfolgreichen Bankierstätigkeit bis zur Machtergreifung Hitlers ein höchst angesehener Bürger. Und doch, wie Jesselsons Mutter in einer alten Videoaufnahme bewegend erläuterte, brachen Freunde den Kontakt zu ihm ab, und er wurde während des Novemberpogroms 1938 in das KZ Dachau gebracht. Nur der Hinweis seiner Frau auf das Eiserne Kreuz rettete ihn und er wurde aus dem KZ entlassen. Jesselson betonte, dass sein Großvater zwar gerettet werden konnte, viele andere Inhaftierte des KZ aber dieses Glück nicht hatten.
Jesselsons Großvater floh 1939 nach seiner Entlassung aus dem KZ mit seiner Frau wie auch viele andere Juden nach England. Aus dieser Familie stammte Roberts Mutter Ilse Merzbach, die 1939 nach England hatte entkommen können. Sie begleitete einen Kindertransport. Anschließend flohen die Merzbachs gemeinsam in die USA, wo die Familie sich ein erzwungenes, komplett neues Leben aufbauen musste. Der ehemalige Bankier und Jurist konnte nur als Eisverkäufer Geld verdienen, seine Frau fand Arbeit als Putzfrau.
Kurt Jesselson, Roberts Vater, verließ Nazi-Deutschland schon 1936 als erster seiner Familie und ließ sich in den USA nieder. Dort trat er später in die Armee ein und betätigte sich im Krieg durch Befragung deutscher Kriegsgefangener. In den USA traf er auf seine spätere Frau. Prof. Jesselson selbst war 1960 zum ersten Mal in Deutschland und studierte dort auch später in Freiburg Musik. Für den nun emeritierten Musikprofessor ist das Thema der Emigration aber noch nicht abgeschlossen, da er, wie die Antwort auf eine Schülerfrage zeigte, die Lage in den USA seit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten als höchst bedrohlich sieht und daher mit seiner Gattin in Erwägung zieht, nach Kanada auszuwandern.
Durch die vielen Fragen der Schüler, auch zum Vergleich mit der heutigen politischen Situation, wurde deutlich, wie wichtig den Jugendlichen die Themen Holocaust, Flucht und Vertreibung sind. Mit den Worten seiner Mutter, dass Frieden und Nächstenliebe das kostbarste Gut seien, das es weiterzuvermitteln gelte, verabschiedete sich Jesselson von den Schülerinnen und Schülern und mahnte gleichzeitig, dass es an ihnen liege, dass so etwas wie 1938 nicht noch einmal passiere. (Philipp Schreck)
Jutta Niesel-Heinrichs (Pressesprecherin) Volker Räuber (Schulleiter)
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