Der Friedensprozess in Kolumbien – Vortrag von Prof Dr. Stefan Peters am Gymnasium Oberursel
Am Montag, 27.10.2025, fand bereits zum dritten Mal verpflichtend für die Jahrgangsstufe Q3 des Gymnasiums Oberursel in der Rotunde ein Vortrag von Prof. Dr. Stefan Peters zum Thema „Frieden in unfriedlichen Zeiten: Hoffnungsträger Kolumbien?“ statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von Daniel Dorn und Jens Frowerk.
Obwohl Kolumbien etwa 10.000 Kilometer von Oberursel entfernt sei und in den Medien derzeit nur sehr wenig darüber berichtet werde, sei der Versuch, den seit gut sechzig Jahren andauernden bewaffneten Konflikt der kolumbianischen Regierung mit verschiedenen Guerillagruppen, Paramilitärs und Drogenkartellen friedlich zu lösen, etwas, aus dem die Schülerinnen und Schüler etwas für ihr eigenes Handeln lernen könnten, so Prof. Dr. Peters. Sie könnten sich nämlich die Frage stellen, wie sie sich selbst, beispielsweise durch das Studium entsprechender Fachgebiete, in einigen Jahren beruflich in weltweiten Konflikten als Friedensvermittler einbringen könnten. Selbst in der UNO sei man sich in Bezug auf die Förderung des Friedensprozesses in Kolumbien einig, was der Besuch einer gemeinsamen Diplomaten-Delegation aus Deutschland, Polen und Russland in Kolumbien vor Kurzem beweise, so Prof. Dr. Peters.
In seinem gut einstündigen Vortragbeleuchtete er anschließend die verschiedenen Seiten und Hintergründe des Konflikts in Kolumbien, welcher bisher etwa 10.000.000 Opfer gefordert habe, davon etwa 8,2 Millionen Vertriebene und ca. 126.500 Todesopfer. Etwa 12% der Todesopfer gingen auf staatliche Morde zurück. Besonders die Aufdeckung der 6.402 „Falsos Positivos“ (angeblich im Kampf getötete Guerillas, in Wahrheit aber vom kolumbianischen Militär ermordete Landarbeiter) zwischen 2002 und 2008 hätten die Bevölkerung erschüttert.
Auch heute noch würden 12- bis 14-Jährige im Zuge des Konflikts zwangsrekrutiert und somit ihrer Bildungschancen beraubt. Diese würden dann später als Söldnerinnen und Söldner in der ganzen Welt, z. B. auch in der Ukraine auf beiden Seiten oder im Sudan, tätig, da sie außer Kämpfen nichts gelernt hätten. Der Gewaltspirale und Perspektivlosigkeit könne nur durch Verhandlungen begegnet werden, so Prof. Dr. Peters.
In diesem Zusammenhang erläuterte er auch die im Fach „Politik und Wirtschaft“ auf dem Lehrplan stehenden Begriffe „Negativer und Positiver Frieden“. Obwohl Kolumbien ein demokratischer Staat mit einer Verfassung sei, bedeute das nicht automatisch, dass ein „demokratischer Frieden“ herrsche. Es sei mehr ein gewaltsamer Frieden, bei dem es den Rebellengruppen und Paramilitärs nicht um die generelle Machtübernahme im Staat gehe, sondern vielmehr um Kontrolle bestimmter Gebiete, dieses allerdings gegen den Staat und seine Strukturen gerichtet. In diesem Jahr (2025) seien bereits 158 soziale Aktivistinnen und Aktivisten sowie 34 Ex-FARC-Guerillakämpferinnen und -kämpfer ermordet worden, was aufzeige, wie gefährlich politisches Engagement und/oder auch die Niederlegung der Waffen in Kolumbien für einzelne immer noch sein könne.
Eine produktive Konfliktlösung müsse deshalb stets die zentralen Konfliktursachen im Blick behalten. Vor allem die extreme Ungleichheit der Bevölkerung, was Landbesitz, Einkommen und Bildung betreffe, sei hier beispielhaft zu nennen. Dazu kämen noch Rassismus, Sprachbarrieren für die indigenen Bevölkerungsgruppen und der traditionell vorherrschende „Machismo“, unter dem Mädchen und Frauen zu leiden hätten. Dies alles erschwere eine angestrebte produktive Konfliktlösung und stelle einen gesamtgesellschaftlichen, sozialen Frieden immer wieder in Frage.
Die „Transitional Justice“, die die Nürnberger Prozesse als Vorbild habe, versuche daher, durch eine Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP), die Einrichtung einer Wahrheitskommission sowie einer Einheit zur Suche der Verschwundenen (UBPD) und Reparationen eine gesellschaftliche Versöhnung zu erreichen. Dabei müssten oft schweren Herzens rechtliche Benefits angeboten werden, wenn jemand zur Wahrheitsfindung beitrüge. So würden lebenslange Haftstrafen beispielsweise in Arbeitsleistungen im Bereich des Aufbaus von Infrastrukturprojekten oder bei der Minenräumung umgewandelt. Diese würden sogar bezahlt, da es sonst Zwangsarbeit wäre. Insgesamt sei es eine gewisse Gratwanderung, da man im Grunde nicht die belohnen und finanziell besserstellen wolle, die zuvor Gewaltverbrechen verübt hätten, so Prof. Dr. Peters zum Abschluss seines Vortrags.
Letztlich zeigte Prof. Dr. Peters in seinem Vortrag auf, wie komplex sich der kolumbianische Friedensprozess sowie die mit ihm verbundenen Gerechtigkeitsfragen gestalten und inwiefern eine Konfliktanalyse immer das Gesamtbild einer Gesellschaft kritisch in den Blick zu nehmen hat.
Prof. Dr. Stefan Peters ist Direktor des deutsch-kolumbianischen Friedensinstituts CAPAZ, hat einen Lehrstuhl für Friedens- und Konfliktforschung an der Justus-Liebig-Universität in Gießen inne und gilt als Südamerika-Experte. Durch seine Arbeit war und ist er immer wieder aktiv an Friedensverhandlungen beteiligt und berät dabei in engem Austausch mit dem Deutschen Auswärtigen Amt die kolumbianische Regierung.
Im Anschluss beantwortete er noch einige Fragen von Seiten der Schülerinnen und Schüler zur ungleichen Landverteilung und ihren Ursachen auch heute noch, zum Umgang der Internationalen Gemeinschaft mit den staatlichen Morden und zum Umgang Kolumbiens mit den 8 Millionen Vertriebenen in Bezug auf Entschädigungen.
Insgesamt konnten die Schülerinnen und Schüler einen gelungenen Einblick in die Komplexität der ursächlichen Zusammenhänge von Konflikten und Friedensprozessen erhalten und dabei noch etwas „Uni-Luft“ schnuppern. Sie dankten Prof. Dr. Peters dafür am Ende mit Applaus. (jun)
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